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Rede auf der Bauernkundgebung der Oberschwabenschau

Bild: Norbert Lins war der diesjährige Hauptredner der Bauernkundgebung auf der
Oberschwabenschau in Ravensburg. © Claudio Meichle.

Nachdem die Oberschwabenschauen 2020 und 2021 coronabedingt ausfallen mussten, war es schön zu erleben, dass die Messe in diesem Jahr mit alter Kraft zurückgekehrt ist. Am 23. Oktober 2022 war ich bei der Bauernkundgebung im Rahmen der Oberschwabenschau in Ravensburg der Hauptredner. Es war ein großartiger Tag mit vielen bekannten Persönlichkeiten wie zum Beispiel Rosi Geyer-Fäßler, Vizepräsidentin des Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V., Franz Schönberger, Kreisvorsitzender des Bauernverbands Allgäu-Oberschwaben e. V., Landtags- und Bundestagsabgeordneten, meiner Vorgängerin im Amt, Elisabeth Jeggle, vielen Bäuerinnen und Bauern, natürlich auch Jungbauern, zahlreichen Besucherinnen und Besuchern und gutem Wetter.

Bei meiner Rede habe ich viele aktuelle und wichtige Themen, die die Landwirtschaft betreffen, angesprochen. Allen voran die Gemeinsame Agrarpolitik (kurz GAP). Im Zeitraum von 2023-2027 werden jährlich 50 Milliarden Euro verteilt, Deutschland erhält davon alleine 6,3 Milliarden Euro. Diese großen Summen wecken natürlich Begehrlichkeiten, andererseits ist es klar, dass so ein umfassendes Gesetz nicht ohne Kompromisse beschlossen werden kann. Nicht jeder ist mit dem Ausgang der Verhandlungen zufrieden. Ich schon, da ich weiß, dass wir Vorschläge verhindert haben, die unsere Landwirtschaft kaputt gemacht hätten. Wir haben uns an wesentlichen Punkten, die mir wichtig waren und für Deutschland wichtig sind, durchgesetzt.

Die Standards Stilllegung und Fruchtwechsel von GLÖZ – guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand – werden 2023 ausgesetzt. Das ist sehr wichtig, denn die Versorgungssicherheit steht seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Vordergrund. Die Erfüllung von Vorschriften muss zurückstehen, schließlich ist es ein Gebot der Menschlichkeit und der Vernunft, alles zu unternehmen, damit der Hunger in der Welt verhindert wird.

Die Europäische Kommission hat Ende Juni 2022 zwei Vorschläge, die das Thema Pflanzenschutzmittel betreffen, unterbreitet. Da frage ich mich schon, ob in Brüssel jede/r die angespannte Situation auf dem Weltmarkt mitbekommt. Wieder wird eine pauschale Flächenstilllegung von 10 Prozent ins Spiel gebracht, die wir bereits bei den GAP-Verhandlungen abgelehnt hatten. Im Verordnungstext für die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln soll ein Pflanzenschutzmittelverbot in sensiblen Bereichen verankert werden. Ich teile das Ziel, unsere Landwirtschaft noch nachhaltiger zu machen, zu 100 Prozent. Doch die Kommission hat hier einen Holzweg eingeschlagen. Wem wäre denn geholfen, wenn wir die regionale Produktion von Lebensmitteln künstlich einstampfen und Flächen verunkrauten lassen? Niemandem! Gleiches gilt für den Fall, dass wir unsere Produktion herunterfahren, während gleichzeitig in anderen Teilen der Welt Pflanzenschutz und Raubbau an der Natur explodieren, damit die Menschen ihre Grundnahrungsmittel anbauen können. Diese Vorschläge sind in meinen Augen ein Generalangriff auf die ländlichen Räume in Europa!

Ganz konkret würde die Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in Baden-Württemberg ein generelles Pflanzenschutzverbot auf mindestens 48 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bedeuten. Je nach Lesart könnten es aber deutlich mehr Flächen sein. Das macht mich sprachlos. Die ersten Leidtragenden dieser Politik werden die Landwirtinnen und Landwirte sein. Doch natürlich werden auch die Verbraucherinnen und Verbraucher die Auswirkungen zu spüren bekommen. Teurere Lebensmittel, mehr Produkte aus dem Ausland, weniger Regionalität, schlechtere Nachverfolgbarkeit, das wären die Konsequenzen. Baden-Württemberg kann sich beim Weizen derzeit zu 100 Prozent selbstversorgen. Bei Kartoffeln sind es 40 Prozent, bei Gemüse nur 20 Prozent Selbstversorgung und 50 Prozent bei Schweine- und Rindfleisch. Der Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments und ich in meiner Funktion als dessen Vorsitzender stehen gemeinsam an der Seite der Landwirtinnen und Landwirte. Wir werden nicht zulassen, dass unsere europäische Landwirtschaft zur Blumenwiese degradiert wird. Wir wollen ein Gleichgewicht aus berechtigten Forderungen nach mehr Umwelt- und Ressourcenschutz sowie einer Landwirtschaft, die ihre genuine Rolle auch erfüllen kann: Die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit guten Lebensmitteln. Maximalverbote kann und darf es nicht geben!

Unsere regional erzeugten Produkte können sich weltweit sehen und schmecken lassen. Und nun hat unser Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir den Vorschlag gemacht, den Fleischkonsum und die Tierbestände zu halbieren. Diese Idee wird vom Umweltministerium unterstützt. Dabei bedeutet Tierhaltung auch der Schutz unserer Kulturlandschaften. Menschen kommen nicht zu uns in Urlaub, um hier durch verbuschte Hänge zu wandern. Und ohne Tiere gibt es keine Alternative zu Dünger aus Russland, der aus fossilen Grundstoffen gewonnen wird. Tiere gehören zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem dazu! Zu wenig Tiere machen unsere Lebensmittelsysteme nicht nachhaltiger. Im Gegenteil: Sie verstärken die Abhängigkeit nach Substituten. Und wer will denn überhaupt noch investieren, wenn 50 Prozent der Bestanddichte reduziert werden könnte?

Ich komme nun auf die Düngeverordnung zu sprechen. Kaum etwas ist so nachhaltig wie eine solide, funktionierende Kreislaufwirtschaft auf einem gut funktionieren Betrieb. Daher möchte ich wegkommen vom starren System der Nitratrichtlinie. Ich plädiere für die Hoftor-Bilanz, da sie ein flexibleres und vor allem faireres Instrument ist. Bei der Hoftor-Bilanz wird der Betrieb als abgeschlossene Einheit definiert und alle Nährstoffe erfasst, die dem Betrieb über beispielsweise Dünge- und Futtermittel zugeführt werden. Abgeführt von der Bilanz werden die Produkte (zum Beispiel Eier, Milch, Tiere, Getreide, Raps etc.), die zur Vermarktung den Hof verlassen. Nicht einbezogen wird der innerbetriebliche Nährstoffkreislauf. Mit der Hoftor-Bilanz, die bereits auf zahlreichen Höfen praktiziert wird, werden anders als bei pauschalen Werten die innerbetrieblichen Anstrengungen honoriert und die Kreislauswirtschaft des Betriebes gefördert. Daher bin ich für eine Novelle der Nitratrichtlinie, die seit 1992 unverändert gilt.

Zum Schluss meiner Rede auf der Bauernkundgebung habe ich mich dem Thema Wertschätzung gewidmet. Die unruhigen Zeiten, in denen wir leben, haben dazu geführt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher unsere Lebensmittel wieder mehr zu schätzen wissen. Sie haben gelernt, dass es eben keine Selbstverständlichkeit ist, dass das ganze Sortiment an Lebensmitteln immer und zu jeder Zeit verfügbar ist. Aus diesem Grund begrüße ich auch ausdrücklich einen Vorschlag der deutschen Bundesregierung: Bis 2030 sollen alle Lebensmittelabfälle halbiert werden. Das ist gut und richtig und jede und jeder ganz dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Wertschätzung bringe ich auch allen Jungwirtinnen und -wirten entgegen. Sie sind unsere Zukunft. Ihnen sage ich: Lasst euch nicht Bange machen. Die Menschen werden heute und auch in Zukunft nicht auf ihr tägliches Brot verzichten wollen und das auch nicht können. Ob konventioneller oder biologischer Anbau – es gibt keinen „Goldstandard“, beides ist wichtig und beides hat seine Berechtigung. Drei Dinge sind für mich unablässig, wenn es darum geht, dass die Landwirtschaft auch in Zukunft eine Wirtschaft mit Zukunft bleibt: Das sind Planungssicherheit, Wertschätzung und eine faire Lastenverteilung. Dafür arbeite ich auch weiterhin in Brüssel.


Link zur Website der Oberschwabenschau der Ravensburger Veranstaltungsgesellschaft mbH: https://www.r-vg.de/oberschwabenschau-besucherinfos

Link zum Bericht von SWR Aktuell: Rund 72.000 Besucher bei Oberschwabenschau: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/veranstalter-der-oberschwabenschau-ziehen-bilanz-100.html

 

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